Donnerstag, 3. Dezember 2009

Pascal Mercier - Der Klavierstimmer

Ich hab vor einiger Zeit von Pascal Mercier (den ich komischerweise immer Paul Mercier nennen will...weiß auch nicht warum, aber ich werde ihn mal anschreiben, ob er seinen Name mir zu Lieben nicht ändern will) "Nachtzug nach Lissabon" gelesen. Der Bestseller. Das Überwerk. Alles sprach davon und schwärmte so bald ich den Titel nannte. Aber ich muss sagen. Es hat mir gar nicht gefallen (Buchbesprechung folgt später).
Nun war ich vor ein paar Wochen bei einer Freundin und die reichte mir voller Begeisterung "Der Klavierstimmer". Es sei ein bisschen schwierig, weil es um Inzest ginge, aber sonst sei es ein tolles Buch. Inzest. Was für andere ein rotes Tuch ist, ist bei mir gerade DAS Thema, weil ich selbst an einer Geschichte arbeite, in der Inzest eine Rolle spielen soll. Also dachte ich, ich schau mal rein und gucke, wie der Herr Mercier das so gemacht hat. Außerdem fand ich es nur fair ihm eine zweite Chance zu geben.
Und was soll ich sagen? Das Buch gefällt mir VIEL besser als "Nachtzug nach Lissabon". Aber erst mal zum Inhalt. Dabei versuche ich nicht zuviel zu verraten, weil in diesem Buch ständig etwas neues passiert.

Also:

Patrice und Patricia sind Zwillinge, die in Bern, Berlin und Paris aufgewachsen sind (deshalb auch immer mal wieder Sätze auf Französisch in dem Buch, aber man kann durch aus alles verstehen, also keine Sorge). Sie fühlten sich immer völlig miteinander verbunden, als seien sie eine Person. An Geheimnisse und alles was sie irgendwie trennen könnte, ist scheinbar nicht zu denken. Irgendwann steigert sich diese Verbundenheit in einem Maße, dass nicht mehr gesund erscheint. Letztlich schlafen die beiden miteinander, die völlige Verbundenheit ist erreicht. Patricia erkennt den Fehler und verlässt die Stadt. Patrice tut es ihr gleich und schafft durch das zeitgleich weggehen wieder einer Art Verbundenheit.
Beide sehen sich jahrelang nicht. Dann der Anruf der Schwester, bei dem mittlerweile in Südamerika lebenden Bruder. Der Vater säße im Gefängnis. Warum wisse sie nicht.
Das weiß auch der Leser ersteinmal lange nicht. Genausowenig erfährt er, was so genau passiert ist, nachdem nun beide Zwillinge nach Berlin geeilt sind, um dort der Mutter beizustehen. Klar ist erstmal nur, dass die Wohnung plötzlich leer steht und beide in ihr altes Leben zurückkehren wollen. Nicht aber, ohne eine Pakt einzugehen. Beide wollen sich auf schreibende Weise einmal alles erzählen. Aus ihrer Sicht beschreiben, was sie glauben, wie es zu all dem gekommen ist. Und so beginnt das Buch dann auch. Beider beginnen mit dem Schreiben. Zuerst darüber wie es gerade in ihrem Leben weitergeht (Patricia fährt zurück nach Paris) oder nicht weitergeht (Patrice sitzt in dern leeren Berliner Wohnung). Dann beginnt langsam die Geschichte der beiden. Immer im Vergleich ziwschen der Zeit nach der ersten Trennung, der jetzigen Trennung und dem Leben davor. Und bald merkt man, dass das seigentlich schon immer Geheimnisse bestanden, wo keine hätten sein sollen. Einigen Sachen wollte man sich gegenseitig verschweigen, andere mussten verschwiegen werden. Hier kommen auch langsam die Eltern ins Spiel und ihre Rolle in der Beziehung der Kinder. Nachdem erstmal klar ist, dass es schon immer Geheimnsise zwischen den beiden gab, die sie sich nun endlich beichten, kommt die Erzählung nun langsam zu den Geheinnissen die in der Familiengeschichte lauern. Alte Geheimnisse und neue Geheimnisse, alles leiten auf die eine oder andere Weise zum immer noch undurchsichtigen Geschehniss in Berlin.
Und da fing es bei mir schon schon an kritisch zu werden, denn hier taucht wieder das auf, was mir schon bei "Nachtzug nach Lissabon" nicht gefallen hat, die Geschichte ist so gewollt verworren. Und durch Zufälle über Zufälle, die teilweise schon in der Jungend der Großeltenr passiert sind, kommt es letztendlich zu dem Schuss in der Berliner Oper. Weshalb man auch irgendwann nicht mehr überrascht ist, als die Mutter nach etwa 2/3 des Buches zu sich und aus den Nebeln des Opiums findet und ihren Kindern (jedem für sich und jedem einen anderen Teil der Geschichte, so dass man sich fragt, wie sie überhaupt alles verstehen konnten, wenn sie den Rest gar nicht kannten) erzählt, wie es zu alldem gekommen ist. Wieder muss weit ausgeholt werden, denn alles begann lange bevor die Zwillinge überhaupt geboren waren.

Mehr will ich jetzt auch nicht erzählen. Sonst nehme ich zuviel von der Handlung vorweg. Ich habe auch extra noch nicht bis zum Ende gelesen, denn ich erwarte auf den letzten 100 Seiten noch einige Wendungen.
Was mir an dem Buch gefällt, ist wie die Beziehung zwischen den Zwillingen beschrieben wird. Sehr schön. sehr feinfühlig, sehr bildhaft wird da beschrieben, wie Vertrautheit auch zu einem Gefängnis werden kann. Und wie schwer eine Befreiung daraus ist, vorallem, wenn man sie nicht vollziehen will, sondern vollziehen muss.
Ganz toll ist auch, wie der Vater und seine Obzession des Partiturenschreibens beschrieben wird. Wie die Liebe zur Musik zu einer einen beherrschenden Krankheit werden kann. Dasselbe gilt übrigens auch für die Mutter und das Balett, sowie für die Beziehung zwischen den Zwillingen. Alles sind auf ihre Art obzessiv.
Was in anderen Buchbesprechungen kritisiert wurde, war, dass die Geschichte ab einem bestimmten Punkt nicht mehr für den anderen zwilling sondern für den Leser erzählt wird. Und zwar ab da, wo es nur noch im die Geschichte der Eltern geht. Das empfinde ich eigentlich nicht so. natürlich soll die gegenseitige Erzählung eigentlich die Beziehung zwischen den Zwillingen erläutern, aber nachdem etwas so bahnbrechendes Geschehen ist, ist es denke ich ganz natürlich, dass die beiden auch darüber schreiben, was sie gerade beschäftigt. Es wäre außerdem äußerst unbefriedigend für den Leser, wenn man es nicht erfahren würde. Außerdem rettet Mercier diese Teile seiner Erzählung auch immer wieder dadurch, dass die Zwillinge für den anderen Randbemekrungen und Kommentare abgeben, die das erzählte erläutern und den Fluss des Dialogs unterbrechen.
Was mir nich gefällt, aber schon besser als im "Nachtzug nach Lissabon", ist die schon genannten übermäßige Verstrickung. Sicherlich stellt ein Roman nicht den Anspruch daran völlig lebensnah zu sein, aber Mercier übertreibt es meiner Meinung teilweise. Die Geschichte wäre genau so gut, (wenn nicht sogar besser) wenn sie ohne eine Schilderung der Jungend der Urgroßmutter und deren Auswirkungen auf die Geschichte der Mutter und damit auch der Kinder erzählt würde. Das strapaziert meine Geduld.
Deshalb ist das Buch aber nicht schlecht. Im Gegenteil. Alles in allem erscheint es mir ein durchaus lesenswertes Buch. Es ist eine wundervolle Geschichte, die uns Pascal Mercier da erzählt und sie ist auch genauso wunderbar geschrieben wie "Nachtzug nach Lissabon" (wirklich, sprachlich sind beide Romane brilliant!). Mein einziges Problem mit Mercier liegt darin, dass ich das unfassbare und überraschende nun schon fast von ihm erwarte. Und dann ist es einfach nicht mehr überraschend.
Noch etwas, dass ich einfach nicht verstehe, ist der Titel des Buches. Denn der Klavierstimmer ist der Vater, aber...eigentlich soll es in dem Buch ja um die Zwillinge gehen und so wichtig der Vater dafür auch ist, ich hätte vielleicht...aber naja...noch ist das Buch ja nicht zu Ende...vielleicht ändere ich meine Meinung ja noch.

Fazit: Ich kann dieses Buch nur wärmstens empfehlen. Ein Buch das sich lohnt! Auch wenn ich hier und da was zu meckern habe, aber wann hat man das schon nicht.

Viel Spaß beim Lesen.

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Nachdem ich das Buch jetzt zu Ende gelesen habe muss ich sagen, es hat mir nicht gefallen. Die Art wie es geschrieben ist schon auch die Geschichte, aber nicht die Idee, die hinter dem Roman steht, denn eigentlich geht es um die Familiengeschichte der Zwillinge und nicht, wie es sein sollte, um die Geschichte der Zwillinge. Auch der Titel passt nicht zum Buch, denn dann müsste es nur um den Vater gehen, tut es aber nicht. Alles in allem, kein schlechtes Buch aber eben nicht das was es verspricht zu sein. Und das Ende...beschissen. Echt. Ich wusste nicht ob ich einfach darüber lachen soll oder mich aufregen. Am Ende habe ich nur ungläubig den Kopf geschüttelt. 

1 Kommentar:

  1. danke für deinen kommentar.
    Ja, es ist schweizerdeutsch, ich bin schweizerin. :)
    & ich liebe das Lied. (:

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